Naturgartenbad

Platz da, ich will ins Natsger! Eine feuchtfröhliche Naturgartenhuldigung aus dem Herrensitz nebenan – von Oliver Tissot

Manchmal sprechen schlicht nackte Tatsachen für die Eröffnung eines Freibades. In Nürnbergs Osten waren es vor hundert Jahren tatsächlich die Nackten, die zwischen Erlenstegen und Oberbürg in die Pegnitz sprangen, nachdem sie zuvor alle Hüllen hatten fallen lassen. Verklemmte Vertreter sittenstrenger Wandervereine sahen die Moral baden gehen, zumal sich Reisende bei einer Zugfahrt durchs Pegnitztal dazu hinreißen ließen, Fleischbeschau in der Nähe der Bahndämme zu betreiben. Bimmelbahn und Pimmelwahn ließen somit Zug um Zug Pläne reifen, eine eingezäunte Erholungsstätte für die Badehosenlosen zu errichten. Dazu wurde 1920 die Nürnberger Luft- und Sonnenbad und Erholungsheim GmbH gegründet. Da ging es aber nicht um heiße Luft, wie man beim Thema Luft- und Sonnenbad mutmaßen könnte, sondern um die bei Sonnenanbetern und heillosen, äh, zahllosen Naturheillehre-Anhängern beliebte Idee, jemanden an die Luft zu setzen, bevor einen irgend etwas krank macht.

Wenn man schon nicht von Luft und Liebe leben kann, müsste man Luft und Sonne zumindest zur Erquickung und Erholung nutzen, dachte man damals. Der geplante Naturgarten sollte als „Pflanzstätte der Volkskraft“ dienen. Klingt aus heutiger Sicht so, als hätte da einem einiges blühen können. Um die Angelegenheit jedenfalls nicht wieder auf die lange Bank zu schieben wie schon mal im Jahre 1909, hatte man Bankdirektoren und Rechtsanwälte in den Vorstand der Gesellschaft berufen. Banker wissen ja, wie man eine Bank errichtet, auch wenn es sich diesmal nur um das Aufstellen einiger Parkbänke handelte. Und ein Rechtsanwalt ist auch nie verkehrt, zumal es von der Topographie her ideal zur Lage passte: „Links a Bächlein, rechts an Wald!“ So sah es nämlich aus rund ums Meisenbach’sche Anwesen, also dem einstigen Wölckernschen Herrensitz mit seinen dreizehn Tagwerk Grund. Und Grund zur Freude hatte man allerdings, denn bereits ein Jahr später konnte das Bad zur Sommersaison öffnen. Damit eröffneten sich für die Nürnberger Bürger ungeahnte, enthüllende Möglichkeiten: Die Nudisten gaben sich nun innerhalb des umzäunten Areals ihrer Freikörperkultur-Philosophie mittels anregenden Dehnübungen im Adamskostüm hin, während jenseits des Zaunes Spaziergänger und Schaulustige ihre Runden ums Bad ausdehnten, um einen lohnenden Blick über oder durch den Zaun werfen zu können.

Obwohl Menschen, die wenig anhaben, anderen wenig anhaben können, verboten die Nazis 1933 das Nacktbaden. Das Ganze endete schließlich in einer Bombenstimmung, die keinerlei Anlass zur Fröhlichkeit gab. 1945 war alles kaputt gebombt. Erst 1951 wurde renoviert und ein behelfsmäßiger Badebetrieb gestartet. Badelustige wanderten aber mehr und mehr in andere und modernere Nürnberger Bäder ab, bis die Stadt dann doch noch was springen ließ. Nein, keinen Sprungturm, sondern 1987 ein Edelstahlbecken, das den anderen Freibädern zwar nicht die Show stahl, aber wieder Glanz und Gloria ins Villenviertel brachte. Bald tummelten sich wieder zahlreiche Sonnenhungrige neben dem Schwimmerbecken auf der leicht ansteigenden Liegewiese, die ob der Lage im Stadtteil der Betuchten vom Volkmund „Rolexhügel“getauft wurde. Man muss halt mit der Zeit gehen.

In den Neunzigern erinnerten sich einige weibliche Badegäste sogar wieder der Anfänge des Bades als Stätte der Freikörperkultur und entledigten sich ihrer Oberteile. Sonnenbadende Herren wähnten sich bei diesen herrlichen An- und Ausblicken nicht mehr in heimischen Gefilden, sondern eher an fernen Urlaubsstränden oder Küsten und hatten nur noch dies vor Augen und im Sinn: Mehr Busen. Mittlerweile gibt es sogar wieder ein versteckten FKK-Bereich. Hier kann man ohne Wenn und Aber bzw.. ohne wenig oder gar nix an, also nixenartig, gewandt im Gewand eines Wassergottes, vornehm Enthüllungen vornehmen, ohne anderen auf den Geist zu gehen.

Auch wenn man im Naturgartenbad von keinem Sprungturm tief ins Nass blicken kann, sorgt NürnbergBad für tiefe Einblicke, nämlich bei den Sommerfilmnächten. Wo sonst kann man so schön beobachten, wie Schauspieler saumäßig ins Schwimmen kommen. Die Leinwand schwimmt nämlich tatsächlich im Becken! Und Apropos saumäßig. An ebenjener Stelle, wo heute das Edelstahlbecken ist, befand sich anno dazumal der Sauweiher. Hier kommt schließlich auch der Autor dieser Zeilen ins Spiel. Nicht als Schauspieler, sondern als Zuschauer, Nachbar und Kabarettist, der gerne sein Unwesen treibt uns sein Anwesen direkt neben dem Bad hat, im oben erwähnten Herrensitz. Da sieht er auch, wie andere Herren leicht einen sitzen haben, wenn sie am Kiosk ihre dritte kühle Hopfenkaltschale genießen, perlend wie Schampus, deshalb extra drei!

Erfrischung und Erquickung, Freiluft und Fritten, Planschen und Plauschen, das ist das Naturgartenbad, welches mit seinem wunderbaren Baumbestand so manches in den Schatten stellt. Kein Wunder, dass auch meine Kinder Bad Boys waren, die beweisen wollten, dass sie was tauchen und nicht auf dem Trockenen sitzen! Cool finde ich vor allem, dass die Becken ungeheizt sind. Das ist tierisch erfrischend. Von Bibbern und Bibern weiß man zu berichten. Kein Witz, tatsächlich hatte mal ein Meister Bokert Bock, sich hier häuslich niederzulassen. Tagelang konnte man zuschauen, wie er ein- und ausging. Also, eingegangen ist er Gott sei Dank nicht. Aber ich kann mit Fug und Recht sagen: Ich sah Tiere. Drum mache ich das auch: Satire. Wenn Sie mal auf den Hund gekommen sein sollten, nehmen Sie sich einfach ein Beispiel am Biber: Einfach ins Nichtschwimmerbecken setzen und darüber sinnieren, wie gut es einem doch geht: Immer noch flüssig, obwohl einem das Wasser bis zum Hals steht! Sehen Sie wie schön es ist, wenn man mal baden geht?!