Volksbad

Geschichtshäppchen

Die Geschichte des Volksbads Nürnberg

Volksbad Nürnberg
Volksbad Nürnberg

von Daniel Gürtler, Geschichte Für Alle e.V.

Das Ziel: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse

Bei seiner feierlichen Eröffnung im Januar 1914 galt das städtische Volksbad Nürnberg als die größte und modernste Anstalt dieser Art im deutschsprachigen Raum. Vorrausgegangen waren mehrere Jahrzehnte der Planung und der Diskussion. Im Zuge der Industrialisierung der Nürnberger Vororte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurden bereits in den 1870er Rufe nach einer neuzeitlichen Badeanstalt laut, um den vielfach katastrophalen hygienischen Verhältnissen in den Arbeiterquartieren entgegenzuwirken. Bereits im 19. Jahrhundert entstanden mehrere Brausebäder, kleinere Anstalten mit Duschen und Wannenbädern, nach Geschlechtern getrennt. Hinzu kamen einige Flussbäder, die jedoch nur in den Sommermonaten genutzt werden konnten, mehrere private Badeanstalten sowie insgesamt 27 Brausebädern in Schulhausneubauten auf das gesamte Stadtgebiet verteilt.

Das Gaswerk verschwindet, das Volksbad kommt

Als Standort für ein städtisches Volksbad wurden unter anderem der Bereich des heutigen Stadtparks und das Areal der Norishalle am Marientorgraben diskutiert. Die Wahl viel letztlich auf das Grundstück des ehemaligen Gaswerks an der Rothenburger Straße, das durch die Eröffnung des neuen Gaswerks in Sandreuth 1904 frei wurde. Nach dem Abriss eines Großteils der Gebäude des Gaswerks, begann 1910 der Aushub der Baugrube. Verantwortlich für die Planung zeichneten die städtischen Oberbauräte Conrad Weber und Friedrich Küfner. Die Arbeiten an dem größtenteils in Backstein gehaltenen Bau kamen rasch voran und waren bereits 1913 in weiten Teilen abgeschlossen, die Eröffnung erfolgte am 2. Januar 1914.

Die Ausstattung: top modern

Die Ausstattung der Anstalt war in vielerlei Hinsicht vorbildlich und richtungsweisend. Über eine große reich verzierte Eingangshalle mit zweiflügliger Treppenanlage gelangen die Besucher in alle Bereiche des Bades. Insgesamt verfügt das Volksbad über drei Schwimmhallen, zwei für Männer und eine Frauenhalle. Die Becken sind auf Pfeilern stehend und in Eisenbeton ausgeführt. Hierdurch sind sie von allen Seiten zugänglich, etwa um Wartungsarbeiter auszuführen. In jeder der Schwimmhallen befand sich ursprünglich ein Wasserspeier, der eindrucksvollste in der großen Männerschwimmhalle I, ein geflügelter Meeresreiter - ein Zweitguss der Kopie des Neptunbrunnen. Seit 1967 befindet sich die Figur am Wöhrder Talübergang. Ansonsten ist der Schmuck der Hallen und auch des übrigen Bades stark vom Jugendstil beeinflusst. Das Figurenprogram, in Kalkstein ausgeführte Köpfe und Putten, stammen von dem Nürnberger Künstler Philipp Kittler. Neben den drei Hallen verfügte die Anstalt über eine Dampf- und Schwitzbäder Abteilung, 66 Wannenbäder, 14 Brausebäder sowie ein über einen separaten Eingang erreichbares Hundebad. Zur Rothenburger Straße hin befanden sich mehrere Läden, unter anderem ein Friseursalon und ein Zigarrenladen. Hinzu kam eine Gastwirtschaft, die allerding nur für kurze Zeit betrieben wurde und bereits in den 1920er in Verwaltungsräume umgewandelt wurde. Zuletzt befand sich hier das städtische Fundamt.

Die Technik: richtungsweisend

Nicht sichtbar für den regulären Besucher waren die technischen Anlagen hinter den Kulissen. Das Wasser für die Becken und Duschen stammte Anfangs aus einen Pumpwerk am Nürnberger Fuchsloch, mit der Fertigstellung der sogenannten Ringlinie wurde das Bad an die städtische Wasserversorgung angeschlossen. Die Erwärmung des Wassers erfolgte in einem der vier großen, mit Koks befeuerten, Dampfkesseln der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg. Mit der Abwärme der Kessel wurde die Luft des Bades erwärmt. Die Lüftungsanlage des Bades kann hierbei als richtungsweisend angesehen werden. Im gesamten Gebäude wurde ein Überdruck erzeugt, wodurch verhindert wurde, dass beim Öffnen der Türen kalte Luft in das Innere strömen konnte. Ebenfalls hinter den Kulissen des Bades befand sich eine Wäscherei, die die gesamte Wäsche der Anstalt wusch, mangelte und bügelte. Anders als heute war es durchaus üblich sich ein Badetuch zu leihen.

Sehr beliebt, aber in eine schwierige Zeit geboren

Der Zuspruch für das neue Bad war enorm, an einigen Tagen besuchten mehr als 3.000 Personen das Bad. Bereits im Spätsommer 1914 wurde das Volksbad als Folge des 1. Weltkriegs und des für den Winter befürchteten Koksmangels vorrübergehend geschlossen. Bereits im November erfolgte dann jedoch bereits eine teilweise Wiedereröffnung. Obgleich man kurzzeitig an die Erfolge der Eröffnungsmonate anknüpfen konnten, hatte das Bad in den 1920er Jahren zunehmend mit Problemen zu kämpfen. Die Hyperinflation des Jahres 1923 machte einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich und auch die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre sorgte für rückläufige Besucherzahlen und finanzielle Probleme. Dennoch konnten einige Investitionen vorgenommen werden, wie etwa der Einbau einer Wasserentkeimungsanlage 1923 oder der Austausch des gesamten Bodenbelags durch rutschfeste Fliesen um Unfälle zu vermeiden.

Dunkle Wolken im Dritten Reich

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 bedeutet auch für das Volksbad eine Zäsur. Ab Juli 1933 war es Juden verboten die Schwimmhallen zu besuchen, ab 1935 galt dieses Verbot auch für die Brause- und Wannenbäder. Mit Kriegsbeginn im September 1939 kam es abermals zu Problemen bei der Versorgung mit Brennmaterial. Im Keller wurden mehrere Luftschutzräume eingebaut und die Fenster verdunkelt, teilweise durch Vorhänge oder Pappe, in der Bäderabteilung wurden die Scheiben mit olivgrüner Farbe bestrichen.

Mehrere Bombenangriffe, allen voran der schwere Luftangriff am 2. Januar 1945, beschädigten das Bad schwer und machten einen weiteren Betrieb unmöglich. 1945 lagen die kleine Männerschwimmhalle und die Frauenschwimmhalle in Trümmern. Die große Männerschwimmhalle und die Eingangshalle hatten den Krieg leicht beschädigt überstanden. So waren dies auch die ersten Bereiche die 1947 wiedereröffnet wurden. Die beiden beschädigten Schwimmhallen wurden stark vereinfacht wiederaufgebaut. Erst 1959 konnte wieder das gesamte Bad genutzt werden.

Nach dem Krieg: Fast 1 Million Besucher pro Jahr

Hatte man anfangs an alte Erfolge anknüpfen können, 1948/49 besuchten mehr als 950.000 Personen das Bad, waren die Zahlen ab den 60er Jahren stark rückläufig. Gründe hierfür war einerseits die Konkurrenz durch Schwimmbadneubauten, aber auch die Tatsache, dass im Zuge des Wiederaufbaus mehr und mehr Wohnungen über ein eigenes Bad verfügten. 1963 wurde das Hundebad geschlossen, 1972 folgte der Dampf- und Schwitzbäderbereich.

Mit der Industrie schwanden auch die Besucher

In den 1980er Jahren schritt der Verfall dann immer weiter voran. 1983 besuchten nur noch 190.000 Besucher das Bad. Um Personal zu sparen wurden automatische Kassenanlagen eingebaut, 1985 wurden die Wannenbäder geschlossen, bald darauf folgte auch die Sauna, die ab 1982 nochmal wiedereröffnet worden war. Aller Widrigkeiten zum Trotz, wurde das Bad 1987 renoviert. So wurden beispielsweise Unterwasserscheinwerfer eingebaut und eine Cafeteria eingerichtet. Jedoch konnten auch diese Maßnahmen den Niedergang nicht stoppen. Ab 1992 stand nur noch eine Schwimmhalle zur Verfügung, die endgültige Schließung erfolgte 1993.

Die Suche nach der Rettung

Was folgte waren mehr als zwei Jahrzehnte der Diskussionen und Absichtserklärungen. Neben einer Wiedereröffnung als Schwimmbad wurde auch die Nutzung als Orientalisches Museum, Reha-Klinik oder Seniorenwohnanlage diskutiert. Während das Gebäude in den 1990er Jahren zeitweilig für Techno-Partys, Modeschauen oder ein Kunstprojekt genutzt wurde, entwickelte es sich in den letzten Jahren, vor allem auch wegen seines morbiden Charmes, zu einem Eldorado für Fotografen.

Danksagung:

Das Projektteam Volksbad dankt dem Verein Geschichte für alle sowie dem Förderverein Volksbad für die Erlaubnis, diesen Text zu verwenden!